Quelle: In Antwort auf: Jaksche belastet Ex-Teamleiter "Ein fest installiertes System"
Jörg Jaksche hat in einem "Spiegel"-Interview jahrelanges Doping zugegeben und die Teamleitungen seiner ehemaligen Mannschaften teilweise massiv beschuldigt. Andere Fahrer belastete Jaksche nur indirekt.
In einem "Spiegel"-Interview, das in der Ausgabe am kommenden Montag erscheinen wird, hat Jörg Jaksche unter anderem jahrelanges Epo-Doping und die Verwicklung in die Fuentes-Affäre zugegeben. Gleichzeitig belastete der 30-jährige Franke die Teamleiter und Ärzte seiner ehemaligen Mannschaften, so etwa Gianluigi Stanga, Walter Godefroot, Manolo Saiz und Bjarne Riis, massiv. Doping sei von den Mannschaftsführungen teilweise aktiv betrieben oder zumindest geduldet worden.
Jörg Jaksche 1999 beim Team Telekom
Jaksche räumte aber auch eine gewisse Eigenverantwortlichkeit ein: „Natürlich hat mir niemand den Arm für die Spritze festgehalten. Aber die Teamleiter, die sich früher an dir bereichert haben, die dir die Sachen besorgt haben, ausgerechnet die tun plötzlich so, als würden sie alle für einen sauberen Radsport eintreten“, so Jaksche im Gespräch mit dem Hamburger Magazin. Allerdings brach er gewissermaßen auch eine Lanze für seine ehemaligen Chefs. Doping habe niemandem gefallen, weder einem Stanga noch einem Riis. "Aber in der Welt, in der wir leben, herrschte dafür kein Unrechtsbewusstsein."
Beginn der Doping-Karriere
Begonnen habe Jaksches Doping-Karriere 1997 im Trikot des italienischen Polti-Teams unter dem damaligen Chef Gianluigi Stanga, dem heutigen Manager des Teams Milram. Auf Stangas Anweisung hin habe Jaksche kurz vor der damaligen Tour de Suisse mit der Einnahme von Epo begonnen: „Stanga sagte, er wolle jetzt anfangen mit der Behandlung. Er wollte herausfinden, was bei mir wirkt“, so Jaksche in seinem Geständnis. „Ein Betreuer spritzte mir abends auf meinem Zimmer Epo.“ Später seien Medroltabletten, Synacthen, Wachstumshormone und Insulin dazu gekommen.
„Die Mannschaftsleitung wusste alles“
Ex-Telekom-Teamchef Walter Godefroot
Nach seinem Wechsel zu Team Telekom 1998 sei das systematische Doping weitergegangen. Walter Godefroot, damals Telekom-Teamchef und heute Berater des Teams Astana, soll das Wort Doping oder Epo zwar nicht in den Mund genommen haben. Für Jaksche war aber keine Frage, was der Belgier gemeint habe, wenn er von „Sachen“ sprach und warnte, diese mit zu den Rennen zu nehmen; es sei zu gefährlich. Jaksche ist sich sicher: Auch bei Telekom wurde betrogen. Und das offenbar ganz offiziell: „Die Mannschaftsleitung wusste alles, es war ein fest installiertes System.“
Jaksche beschuldigt Rudy Pevenage, damals sportlicher Leiter bei Team Telekom, sich aktiv mi Doping-Fragen auseinander gesetzt zu haben. Auch Godefroot wird stark belastet: Ihm sei es nicht darum gegangen auszuschließen, dass jemand dopt, sondern dass er ungeschickt dopt. Besorgt hätten die Medikamente die beiden Teamärzte Andreas Schmid und Lothar Heinrich. Sie sollen sich sogar explizit für Epo ausgesprochen haben: "Sie haben gesagt: Wenn du etwas nehmen willst, nimm das, was etwas bringt und beherrschbar ist, also vor allem Epo", zitiert Jaksche die beiden Mediziner, die ihn aber offenbar auch über mögliche Gefahren, zum Beispiel beim Gebrauch von Insulin, aufgeklärt haben, sodass sich Jaksche bei ihnen sogar gut aufgehoben vorkam. "Nicht so wie bei Polti", zieht der Ansbacher Bilanz. Neben Epo nahm Jaksche in seiner Telekom-Zeit auch Wachstumshormone zu sich.
„Einfach nur den Arm hingehalten“
Jaksches Chef bei Once und Liberty Seguros: Manolo Saiz
In dem Interview rechnet Jaksche auch mit seinen nächsten Arbeitgebern ab. Beim spanischen Once-Team unter Manolo Saiz war Doping an der Tagesordnung. „Es war so eine Art Rund-um-sorglos-Paket“, so Jaksche. Bei Once sei er komplett in der Hand der Mediziner gewesen: „Ich habe einfach nur meinen Arm hingehalten und mich spritzen lassen.“ Was er genau bekam, wisse Jaksche nicht. Er kann nur Vermutungen anstellen: "Gut möglich, dass sie mir drei Jahre lang das volle Programm verabreicht haben. Ich weiß es einfach nicht. Und ich wollte es auch nicht wissen." "Ich bin Bella" aber nicht "Jorge"
Als Jaksche später bei Liberty Seguros, also wieder bei Manolo Saiz, anheuerte, sei der Ansbacher auch zum ersten Mal in Kontakt mit Eufemiano Fuentes gekommen – auf Betreiben von Manolo Saiz hin. Der Madrider Arzt habe ihn 2005 zum Eigenblutdoping gebracht: "Ich bin Bella", gibt Jaksche zu. "Es ist mein Blut, das dort in drei Beuteln gefunden wurde. Ich bin auch tatsächlich die 'Nr. 20' aus den Akten, und ich war 2005 und 2006 Kunde von Doktor Fuentes in Madrid." Mit dem Namen "Jorge" sei er aber nicht gemeint: "Die Angaben in den Akten stimmen nur zum Teil. Die Nr. 20 gehörte zum Beispiel bis 2005 einem anderen Fahrer. Die spanischen Ermittler gehen davon aus, dass ich auch unter dem Namen 'Jorge' geführt wurde, was nicht stimmt." Auch Riis soll vom Doping in seinem Team gewusst haben
Zwischenzeitlich hatte Jaksche vorübergehend bei Bjarne Riis’ CSC angeheuert. Auch dort habe er zu Epo gegriffen, allerdings sei das Mittel dann zu gefährlich geworden, da sich das Hormon in der Zwischenzeit durch Tests nachweisen ließ. Als Ersatz sei Kortison verabreicht worden. Der Wirkstoff steht zwar auf der Doping-Liste, ist aber unter bestimmten Auflagen erlaubt – zum Beispiel als Mittel gegen Asthma. Aus Jaksches Ausführungen wird deutlich, dass Teamchef Riis über diese Praktiken Bescheid gewusst haben muss. Neue Anschuldigungen gegen Arzt aus Bad Sachsa
Im Interview beschuldigt Jaksche ebenfalls direkt einen Arzt aus Bad Sachsa, gegen den die Staatsanwaltschaft Göttingen wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Arzneimittel-Gesetz bereits seit 2006 ermittelt. Der Arzt hätte Jaksche im Auftrag von Fuentes bei der Tour-de- France-Etappen-Station 2005 in Karlsruhe EPO auf dem Hotelzimmer gespritzt. "Da zeigt sich die logistische Meisterleistung von Fuentes. Der hatte überall seine Mitarbeiter. 2005 führte die Tour durch Deutschland. Also bin ich im Frühsommer von Ansbach nach Bad Sachsa in den Harz gefahren. Dort hat mir ein Dr. Choina einen halben Liter Blut abgenommen. Zum verabredeten Termin am 8. Juli kam Choina dann nach Karlsruhe und hat es mir für den Rest der Tour zurückgegeben."
„Ich will keine Fahrer belasten“
Direkte Enthüllungen über andere Fahrer, die in die spanische Fuentes-Affäre verwickelt sein sollen, blieben in dem Spiegel-Interview aus. Fuentes habe Jaksche in dem Glauben gelassen, ein Exklusiv-Kunde zu sein. „Vermutlich hat es Fuentes mit anderen Topfahrern wie Ullrich genauso gemacht“, so Jaksche, „zumindest schließe ich das aus den bekannt gewordenen Honoraren der Operación Puerto.“
Angesprochen auf die Fuentes-Liste zeigte sich Jaksche weniger darüber erstaunt, wer alles auf der Liste steht, als darüber wer alles nicht darauf stehe. Indirekt geht es dabei um Spaniens Rundfahrthoffnung Valverde. Seitenhiebe auf Voigt und Vinokourov ...
Allerdings fällt der Name Jens Voigt in dem Interview. Er soll bei der Skandal-Tour 1998 um die Dopingpraktiken in seinem Team Gan gewusst haben. So habe Voigt auf die Frage, was sein Team denn nun mache, geantwortet: "Einer hat bei uns vorgeschlagen, alles entlang der Strecke zu vergraben und nach der Tour abzuholen".
Indirekt taucht auch der Name von Astana-Kapitän Alexandre Vinokourov auf. Der Manager des Spitzenfahrers, der auch Jaksches Berater war (also der Schweizer Tony Rominger), hätte Saiz damals bei Liberty Seguros zwecks "einer besseren medizinischen Kontrolle" unter Druck gesetzt. Dazu befragt, ob es sich um die beiden Namen Vinokourov und Rominger handele, weicht Jaksche aus: "Noch einmal, ich will keine Fahrer belasten." ... und ein Schlag gegen die UCI
Auch die UCI kommt bei Jaksches Aussagen nicht ganz ungeschoren davon, so erwähnt er angebliche Absprachen zwischen Teams und UCI bezüglich der Trainingskontrollen: "Es ist pervers, aber das Doping-System ist gerecht, weil alle dopen. Radsport ohne Doping ist nur gerecht, wenn wirklich niemand mehr dopt. Mir hat ein Fahrer erzählt, dass es wegen der Trainingskontrollen Deals geben soll zwischen ein paar Mannschaften und dem Weltradsportverband. Da muss man annehmen, dass es kein generelles Umdenken gibt. Das hat mir dieser Fahrer stolz erzählt. Da wusste ich: Nichts hat sich geändert."
Beschuldigte streiten alles ab
Gianluigi Stanga (Archivbild von 1999)
Nach Angaben des "Spiegel" haben Jens Voigt, Gianluigi Stanga, Walter Godefroot und Bjarne Riis Jaksches Behauptungen zurückgewiesen. Nicht geäußert hätten sich bisher Lothar Heinrich, Andreas Schmid, Eufemiano Fuentes und Manolo Saiz. Jaksche will Karriere fortsetzen
"Ich glaube, dass es wichtig ist für die Zukunft dieses Sports, dass einer mal sagt: Okay, so läuft das hier", so Jaksche zum Spiegel. Der Ansbacher beabsichtigt nun, sich den Sportverbänden und deutschen Ermittlungsbehörden als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen, und möchte von der in den Statuten der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA festgelegten Kronzeugen-Regelung auf eine Straf-Reduzierung von einem Jahr Sperre durch den Weltverband UCI profitieren. Ziel sei, die Radsport-Karriere 2008 fortzusetzen.
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Tourchef sieht Rundfahrt nicht in Gefahr Pruhomme: "Ich habe keine Angst"
Tourchef Christian Prudhomme reagierte auf die Veröffentlichung des Geständnisses des Ansbacher Rad-Profis Jörg Jaksche relativ gelassen. Die Tour de France sehe er daurch nicht in Gefahr.
Tourchef Christian Prudhomme
Im Interview mit der ARD-Sportschau sagte der 43-Jährige, dass manche Medien wie z.B. der „Spiegel“ in Deutschland ihre Enthüllungen jedes Jahr passend vor dem Tourstart platzierten, um ihre Auflagenzahlen in die Höhe zu treiben. Das bereite ihm aber keine Sorgen: „Nein, ich habe keine Angst. Natürlich will ich in London kein zweites Straßburg erleben, aber wir haben mit der UCI-Ehrenerklärung ein starkes Kampfmittel: Wer diese nicht unterschreibt, darf die Tour de France nicht mitfahren. Aber ich bin überzeugt, dass die meisten unterschreiben werden, was mit den restlichen Fahrern geschieht, das wird man sehen."
Nach dem Anti-Doping-Gipfel in Genf hatte Prudhomme den Teams bereits unmissverständlich klar gemacht, wer in seinen Reihen Fahrer dulde, die unter Dopingverdacht stünden, brauche gar nicht erst zum Start nach London anzureisen.
„Außerdem wurden in den letzten zehn Wochen auf unseren Druck hin über 150 zusätzliche unangekündigte Dopingkontrollen durchgeführt. Wenn dann Fahrer erwischt werden, dann zeigt sich doch, dass das System funktioniert“, erläutert der Franzose. Prudhomme ist davon überzeugt, dass die zuständigen Teamleiter und die nationalen Radsportverbände mitarbeiten und die des Dopings Überführten oder Verdächtigen entsprechend behandeln werden. „Wir jedenfalls haben den Toursieger von 2006 aus den Annalen gestrichen. Für 2007 träume ich davon dass der Gesamtsieger auch wirklich der verdiente Sieger ist – und es auch bleibt.“
In Antwort auf: BDR-Reaktion Scharping: Jaksche zum BDR eingeladen
Jörg Jaksche soll nach seinem Doping-Geständnis auch vor der Anti-Doping-Kommission des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) aussagen.
"Wir werden ihn übernächste Woche einladen", sagte am Samstag BDR-Präsident Rudolf Scharping, der zu Jaksches "Spiegel"-Beichte erklärte: "Gut, dass er ausgepackt hat, wenn auch spät. Ich predige seit zwei Jahren: Wir müssen endlich an die kriminellen Hintermänner heran. Vielleicht helfen die Jaksche-Aussagen da."
Der BDR-Chef berichtete einen Tag vor den deutschen Straßenmeisterschaften in Wiesbaden von Zielkontrollen, die der Verband zusammen mit der NADA seit 18. Juni bei rund 40 deutschen Profis vorgenommen habe. Zum Teil handelte es sich um kombinierte Blut- und Urin-Kontrollen. Erste Ergebnisse sollen zu Beginn der nächsten Woche vorliegen, sagte Scharping. Entscheidung über Zabels WM-Start auf August vertagt
Über den WM-Start Erik Zabels im September in Stuttgart soll erst Ende August entschieden werden. "Im Rahmen der ganz normal geplanten WM-Nominierung", sagte Scharping. BDR-Vizepräsident Wolfgang Schoppe war von einer Zeitung mit dem bereits feststehenden WM-Aus für den zweifachen Vize-Weltmeister Zabel zitiert worden. In Wiesbaden erklärte Schoppe: "Das habe ich nie gesagt."
Nach seinem Doping-Geständnis hatte Zabel auf eine Olympia- Nominierung für Peking 2008 verzichtet, "um die Nationalmannschaft nicht zu belasten". Offensichtlich wird auch für Stuttgart ein freiwilliger Verzicht des Berliners erwartet.
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Zu viele Schlupflöcher McQuaid kritisiert Medikamentenregelung
Zwei Tage vor der Anhörung des unter Dopingverdacht geratenen "Asthmatikers" Alessandro Petacchi hat UCI-Präsident Pat McQuaid die Medikamenten-Regelungen seines eigenen Radsport-Weltverbandes stark kritisiert. Die Ausnahmegenehmigungen, die gesundheitlich gehandicapten Fahrern durch ärztliche Atteste die Einnahme medizinischer Mittel erlauben, böten zu viele Schlupflöcher.
Ähnlich hatte sich kürzlich auch IOC-Präsident Jacques Rogge geäußert, der dabei nicht nur Radsport im Auge hatte. "Es gibt zu viele Atteste. Es ist der Zeitpunkt gekommen, neue und rigorosere Regelungen zu finden. Viele Fahrer brauchen Arzneien, aber das System wird ausgenutzt", sagte der Ire der italienischen Zeitung Gazzetta dello Sport.
Petacchi war beim Giro d'Italia positiv auf das Asthma-Mittel Salbutamol getestet worden. Der Sprintstar kann allerdings eine Ausnahmegenehmigung vorweisen. Der Teamkollege von Erik Zabel im deutsch-italienischen Milram-Rennstall macht eine falsche Anwendung seines Asthma-Inhalierers für den positiven Befund verantwortlich.
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